Präsentismus schadet auch Unternehmen

Mitarbeiter, die krank zur Arbeit gehen, sind ein häufig anzutreffendes Phänomen der modernen Arbeitswelt. Das Verhalten wird auch als „Präsentismus“ bezeichnet. Im Gegensatz zu krankheitsbedingten Fehlzeiten (Absentismus) wird es jedoch von vielen Unternehmen kaum beachtet. Dabei hat der Präsentismus häufig ähnlich negative Folgen: Die Mitarbeiter gefährden nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern stellen langfristig auch einen erheblichen Kostenfaktor für die Unternehmen dar.

Die Zahl der arbeitsunfähig erkrankten Beschäftigten liegt bereits seit längerer Zeit auf einem konstant niedrigen Niveau. Demgegenüber ist das Phänomen des Präsentismus nur schwer mit Zahlen zu untermauern, da es keine einheitliche Definition gibt und keine Kriterien, wie Präsentismus gemessen werden kann. Unstrittig in der Präsentismusforschung ist allerdings, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Beschäftigten und ihrer Produktivität besteht. So weisen laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mehrere Studien darauf hin, dass die Kosten, die Unternehmen auf lange Sicht durch Präsentismus entstehen, beträchtlich sind und die Kosten durch Absentismus übersteigen.

Ungesundes Verantwortungsgefühl

Viele Beschäftigte haben ein Problem damit, zu Hause zu bleiben, wenn sie krank sind. Sie glauben, dass sie dem Unternehmen etwas Gutes tun, wenn sie krank zur Arbeit kommen. Sie wollen ihre Kollegen nicht im Stich lassen bzw. ihnen keine Mehrarbeit aufbürden. Auch ein Verantwortungsgefühl gegenüber Kunden, hohes Arbeitsvolumen oder starker Termindruck werden als Gründe genannt, krank zur Arbeit zu erscheinen. Viele Beschäftigte haben auch Angst davor, dass häufige Krankschreibungen ihren Arbeitsplatz gefährden könnten bzw. sie berufliche Nachteile zu befürchten haben.

Und tatsächlich ist es eine schwierige Gratwanderung, ab wann ein Arbeitnehmer krank ist – häufig hängt dies auch vom subjektiven Empfinden ab. Die Frage, ab wann man wirklich arbeitsunfähig ist, ist daher schwer zu beantworten. Bei einigen Krankheitsbildern wird aus medizinischer Sicht sogar das Weiterarbeiten als vorteilhaft bewertet, z. B. bei bestimmten psychischen Erkrankungen oder auch bei Rückenbeschwerden. Ohne Zweifel ist allerdings das Verhalten bei Beschäftigten, die häufig gegen den ausdrücklichen ärztlichen Rat krank zur Arbeit gehen, als problematisch zu bewerten.

Negative Folgen des Präsentismus

Mitarbeiter, die zur Arbeit gehen, obwohl eine Krankmeldung gerechtfertigt wäre, können sich oft nicht richtig konzentrieren und sind in ihrer Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt. Die Folgen sind eine geringere Arbeitsqualität sowie eine erhöhte Anzahl von Fehlern. Ebenso steigt das Risiko für Unfälle am Arbeitsplatz bzw. im Straßenverkehr oder auf dem Arbeitsweg. Wenn Beschäftigte mit Infektionskrankheiten zur Arbeit kommen, besteht darüber hinaus das Risiko, dass sie ihre Kollegen anstecken. Das Krank-zur-Arbeit-Gehen erhöht auf lange Sicht die Gefahr, dass es zu mehr Fehlzeiten kommt. Werden Symptome über einen längeren Zeitraum von den Betroffenen negiert, können sich ernsthafte Krankheiten wie Herz-Kreislaufoder schwere psychische Erkrankungen entwickeln. Akut auftretende Krankheiten, die ignoriert werden, könnten chronisch werden.