BKK Service: Wie sieht die Akzeptanz der Betriebe und Mitarbeiter zum BEM aus?
Klaus Leuchter: Insgesamt wird das BEM-Verfahren von den Betrieben akzeptiert. Viele haben erkannt, dass sich wirklich Vorteile für Beschäftigte und Betriebe ergeben. Während früher oftmals darüber geklagt wurde, dass es bei der Personaleinsatzplanung durch lange Krankheitsfälle zu Schwierigkeiten kommt, weil der Kontakt zu den Beschäftigten nach dem Ende der sechswöchigen Entgeltfortzahlung abbricht, führt das BEM heute zu einer besseren Übersicht über die Personalressourcen. Auch die Beschäftigten stimmen zunehmend dem BEM zu. In vielen Betrieben hat sich ein vertrauensvolles Miteinander ergeben.
Spielt die Größe des Betriebes eine Rolle?
Die Akzeptanz für ein BEM-Verfahren ist zumindest in den größeren Betrieben ab 250 Beschäftigten vorhanden. Bei den Klein- und Mittelunternehmen (KMU) und besonders bei den Kleinst- (bis 9 Beschäftigte) und Kleinunternehmen (bis 49 Beschäftigte) ist die gesetzliche Verpflichtung nach wie vor oftmals nicht bekannt. Das ist nachzuvollziehen, wenn zum Beispiel ein Handwerksbetrieb mit fünf Beschäftigten 20 Jahre nach der Gründung das erste Mal einen Krankheitsfall von über sechs Wochen Dauer hat. Trotzdem: Wenn ein Betrieb auch nur einen einzigen Mitarbeiter regulär beschäftigt und dieser länger als sechs Wochen im Jahr erkrankt, muss ihm ein BEM angeboten werden – auch wenn es sich um eine Teilzeitkraft, einen Minijobber oder eine befristet eingestellte Aushilfe handelt. Dieses Angebot kann der Mitarbeiter dann annehmen oder ablehnen.
Der Arbeitgeber hat gegenüber dem langzeiterkranken Arbeitnehmer eine Informationspflicht zum BEM. Wie weit geht diese Verpflichtung?
Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass die Beschäftigten über die Ziele des BEM und über den Umgang mit ihren persönlichen Daten aufgeklärt werden. Erst dann, so ist der Rechtsprechung zu entnehmen, sind die Beschäftigten in der Lage, sich für oder gegen die Teilnahme am BEM zu entscheiden. Daher ist es ratsam, in die Ablehnungserklärung für den Arbeitnehmer folgenden Passus aufzunehmen: „Mir ist bekannt, dass ich mich im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber bei einem vor dem Arbeitsgericht zu verhandelnden Widerspruch nicht auf ein nicht durchgeführtes Betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 (Absatz 2) SGB IX berufen kann.“ Damit nicht gleich zu Beginn des BEM-Verfahrens der Gedanke aufkommen kann, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses angestrebt wird, empfehle ich, den Satz wie folgt zu ergänzen: „Dieser Hinweis wird von den Gerichten gefordert und muss vom Arbeitgeber gegeben werden.“
Was kann ein Arbeitgeber tun, wenn ein Mitarbeiter zum BEM-Gespräch eingeladen wird, er aber nicht erscheint?
Die Teilnahme am BEM ist für die Beschäftigten freiwillig. Für den betrieblichen Ablauf ist es sinnvoll, dass vor einem Gespräch verbindlich geklärt wird, ob der Beschäftigte bereit ist, daran teilzunehmen. Dazu kann mit einem Einladungsschreiben und einer Information zum BEM eine Zustimmungs- und eine Ablehnungserklärung mitgesandt werden. Erscheint der Mitarbeiter dann nicht zum Termin, hat der Arbeitgeber zumindest den Beleg, dass er alles getan hat, um seine Verpflichtung zu erfüllen. Nimmt der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt die Arbeit wieder auf, sollte ihm nochmals ein Gespräch angeboten werden. Lehnt er es ab, kann die Ablehnungserklärung erneut zur Unterschrift vorgelegt werden. Auch im laufenden BEM-Verfahren hat der Mitarbeiter jederzeit das Recht, seine Einwilligung in das BEM zurückzuziehen – auch dies ohne Folgen für sein Beschäftigungsverhältnis.
Wie sollte ein BEM-Gespräch ablaufen?
Vor Beginn des Gespräches sollte der Gesprächsleiter den erkrankten Beschäftigten darauf hinweisen, dass die Teilnahme an einer BEM-Maßnahme freiwillig erfolgt und er jederzeit die Möglichkeit hat, diese auch abzulehnen. Ebenso sollte auf die Datenschutzbestimmungen hingewiesen werden, zum Beispiel, dass die Diagnose der Erkrankung nicht offenbart werden muss und dass alle personenbezogenen Angaben vertraulich behandelt werden. Insgesamt sollte das BEM-Gespräch ergebnisoffen verlaufen.
Bei Langzeiterkrankten wird ja häufig eine stufenweise Wiedereingliederung in den Job durchgeführt. Wie geht man vor, wenn sich der Gesundheitszustand durch die Belastungen wieder verschlimmert?
Die stufenweise Wiedereingliederung innerhalb des Krankengeldbezugs (auch Hamburger Modell genannt) ist eine sehr sinnvolle Maßnahme im Rahmen eines BEM. Damit soll festgestellt werden, ob eine Belastungsfähigkeit wieder gegeben ist. Dazu wird über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten eine reduzierte und langsam ansteigende Stundenzahl vereinbart. In dieser Zeit besteht kein Anspruch des Arbeitgebers darauf, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit in vollem Umfang geleistet wird. Deshalb wird ja auch das Krankengeld weitergezahlt und dem Betrieb entstehen keine Kosten. Tritt durch die ausgeübte Tätigkeit eine Überlastung ein, sollten sofort der Arbeitsumfang reduziert oder einzelne Aufgaben – z.B. schweres Heben – vermieden werden. Auch eine Reduzierung der Stundenzahl oder der Abbruch der Wiedereingliederung und die Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt sind in Betracht zu ziehen. Für die Entscheidung ist der Betriebsarzt einzubeziehen, der sich mit dem behandelnden Arzt und der Krankenkasse abstimmen wird.
Was ist, wenn es im Betrieb keinen Betriebsrat und keine Schwerbehindertenvertretung gibt?
Das befreit nicht von der Verpflichtung, den Beschäftigten ein BEM anzubieten. Man kann natürlich nur die Personen in das BEM-Verfahren einbinden, die zur Verfügung stehen. In diesen Fällen muss die Betriebsleitung entscheiden, wer als Beauftragter des Arbeitgebers die BEM-Gespräche führt.