Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Motivation nicht entscheidend

Die absichtliche Berührung primärer oder sekundärer Geschlechtsmerkmale eines anderen am Arbeitsplatz stellt einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre dar und kann eine außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung rechtfertigen. Dies gilt auch dann, wenn der Belästigung keine sexuelle Motivation zugrunde gelegen hat. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) und konkretisierte mit dem Urteil die Voraussetzungen einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz im Sinne des § 3 Absatz 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).

Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitnehmer eines Stahlwerkes einem Leiharbeiter schmerzhaft von hinten in den Genitalbereich gegriffen und anschließend abfällige Bemerkungen darüber gemacht. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Arbeitnehmer wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Dieser wehrte sich gegen seine Kündigung und klagte, da der Vorfall nicht sexuell motiviert gewesen sei.

Während das Landesarbeitsgericht (LAG) der Klage zunächst stattgegeben hatte, wertete das BAG den Übergriff als sexuelle Belästigung, auch wenn der Handlung keine sexuellen Absichten zugrunde lagen. Die sexuelle Selbstbestimmung sei in diesem Fall nicht gegeben gewesen und die Würde der betreffenden Person sei verletzt worden. Das BAG verwies den Fall an das LAG zurück, das entscheiden muss, ob eine fristlose Kündigung aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers gerechtfertigt ist.

BAG, 29.6.2017, 2 AZR 302/16